Erinnern. Hochleben lassen.
Ein Haus mit Geschichte.
Das Zentrum des Dorfes Trogen mit dem Landsgemeindeplatz als Herzstück ist ein Ortsbild von nationaler Bedeutung. Der Platz wird durch unappenzellische Steinhäuser, die schon zur Bauzeit Paläste genannt wurden, charakterisiert. Inmitten dieser Steinhäuser gibt es auch ein kleines bezauberndes Holzhaus, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht – das Hotel Krone.
Die Familie Zellweger.
Die Geschichte Trogens und des Platzes im Besonderen wurde geprägt durch die Familie Zellweger und die Menschen, die für sie arbeiteten. Die protestantische Familie kam zur Zeit der Gegenreformation in den 1580er-Jahren von Appenzell nach Trogen. Nach der Landteilung 1597 in das protestantische Appenzell Ausserrhoden und das katholische Appenzell Innerrhoden wurde Trogen Haupt- und Landsgemeindeort von Ausserrhoden. Die Familie Zellweger dominierte während gut 150 Jahren die Wirtschaftsgeschichte ebenso wie die politische Geschichte Trogens und der äusseren Rhoden. Mit ihrem Leinwand-, Barchent- und Baumwollhandel gehörten sie im 18. und frühen 19. Jahrhundert zur unternehmerischen Elite der Schweiz.
Der Landsgemeindeplatz war ursprünglich umgeben von Holzhäusern. Drei Generationen von Vertretern der Textilhandelsfamilie Zellweger versetzten diese und errichteten die erwähnten Steinpaläste. Die letzten zwischen 1802 und 1809.
Als Zellwegerhaus erbaut.
Die Krone wurde 1727 durch Conrad Zellweger-Tanner errichtet. Er hatte lange Zeit in Lyon gelebt und das Holzhaus für einen seiner Söhne erbauen lassen. Als dieser – Conrad Zellweger-Sulser – 1760 das Steinhaus rechts neben der Kirche erbauen liess, schenkte er das Holzhaus seiner Tochter Anna Zuberbühler-Zellweger, die das Haus 1767 der Mode entsprechend im Rokokostil umgestaltete. Anna Zellweger wurde 1730 geboren. Sie heiratete 1755 Landesmajor Johann Laurenz Zuberbühler von Speicher. Das Ehepaar hatte keinen „Kindersegen“, wie es in ihrer Leichenrede heisst.
Anna habe sehr „frühe wegen ihrem schwachen Nervengebäude mit verschiedenen Schwachheiten und Beschwerden zu kämpfen gehabt“. Sie verstarb 1786.
Das Haus vermachte sie ihrer Grossnichte Barbara Tobler-Zuberbühler, die im Tobler’schen Holzpalast am Bergweg 1 oberhalb des Landsgemeindeplatzes aufgewachsen war.
Die äussere Gestalt.
Die Krone mit Baujahr 1727 ist einerseits ein typisches Appenzellerhaus, ein Holzgiebelhaus mit symmetrischer Gliederung der Frontfassade, mit Einzelfenstern im steinernen Erdgeschoss und Reihenfenstern im Obergeschoss, mit Täferung bis zum First. Allerdings erinnern die verschalten Klebdächer und der achtseitige Erker eher an Toggenburger Bauten.
1767 liess Anna Zuberbühler-Zellweger an der Fassade die Rokokobemalung sowie die Wappen der beiden Familien in den von zwei Putten gehaltenen Kartuschen anbringen. Auch das Sandsteinportal stammt aus dieser Zeit.
Die weiss-blaugrünen Rocaillen auf den Fensterläden und die gemalte Balustrade sind typisch Rokoko, sie schaffen eine Illusion von Vornehmheit, sie entmaterialisieren die Fassade durch die Bemalung. Aus Holz wird sozusagen Stein. Im 19. Jahrhundert wurde die Fassade hell überstrichen, weil Rokoko aus der Mode gekommen und ein klassizistisches Antlitz angesagt war. Die heutige Gestalt geht auf eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1955 zurück.
Besonderheiten im Innern.
Im ersten Obergeschoss liegen die beiden nussbaumgetäferten Gaststuben mit den originalen Wandschränken und Türen und einem grünen Art-deco-Kachelofen.
Die Familie Zellweger kam in der Welt herum und wusste, was modern ist. Der Arzt und Philosoph Laurenz Zellweger (1692–1764), der Onkel von Anna Zuberbühler, hatte in Leiden in Holland studiert, war ein äusserst gebildeter Mann und hielt mit der geistigen Elite Zürichs, mit Johann Jakob Bodmer, Johann Caspar Hirzel, Salomon Gessner und anderen, regen Kontakt.
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Die Besuche der Zürcher und ihre literarischen Werke veranschaulichen ein Thema, welches das 18. Jahrhundert bewegte: die Idealvorstellung vom natürlichen/richtigen Leben, die Neigung zur Stadtflucht, die Sehnsucht nach Natur und Landleben. In den Texten wurde Zürich als "Limmat-Athen" und das Appenzellerland als "Arkadien" bezeichnet.
Das Rokokozimmer ist eine vollständig ausgemalte Stube, ein Landschaftszimmer, wie es unter anderem in Zürich en vogue war.
Die Holztäfer im Raum zeigen die typischen Landschaftsbilder des Rokoko, idyllische Landschaften, Traumbilder einer Traumlandschaft, ein bläulicher Schleier gibt ihnen etwas Weiches und Unwirkliches. Sie atmen alle dieselbe Abendstimmung, der Vordergrund liegt bereits im Schatten, während der grosse lichtblaue Himmel sich gegen den Horizont in ein zartes Gelb aufhellt. Die grosse Tiefenwirkung wird in den meisten Tafeln durch schattenhafte Bäume im Vordergrund und verblassende Farben im Hintergrund erzeugt. Manchmal ist eine Landstrasse, ein Fluss, ein See sichtbar. Die Landschaften sind hügelig oder leicht gebirgig. Ein paar Häuser, eine Kirche, ein Lastschiff deuten auf menschliche Präsenz in der weitgehend unberührten Natur. Hie und da zeigen sich wenige einfache Menschen. Die Natur wird als friedlicher Garten dargestellt; etwas melancholisch angesichts der menschlichen Vergänglichkeit.
Der Name des Malers dieser holländisch inspirierten Landschaftsbilder in Camaieutechnik ist unbekannt. Die Vorlagen erinnern an Werke des Zürcher Landschaftsmalers Johann Balthasar Bullinger (1713–1793), der in den Niederlanden gewesen war.
In diesem Stübchen treffen höfischer Glanz und ländliche Idylle aufeinander, es wird eine Vornehmheit suggeriert, die für die Familie Zellweger und die Steinbauten am Landsgemeindeplatz typisch ist.
Die Krone als Gasthaus.
1810 wurde aus dem Privathaus ein Gasthof, das Wirtshausschild mit Krone, Taube und Fässchen trägt das Datum 1816. Der Saalanbau stammt von 1867. Von 1900 bis 1998 wurde das Haus von vier Generationen der Wirtefamilie Böhm geführt. Während Jahrzehnten war der Kronensaal der Ort der gesellschaftlichen Ereignisse des Dorfes, besonders der Schülerabende der Kantonsschule Trogen. Nach verschiedenen Besitzerwechseln und der Erkenntnis, dass die Krone nicht in fremde Hände gelangen darf, kaufte eine neu gegründete Stiftung 2023 die Liegenschaft und erweckt sie gemeinsam mit einem ebenfalls neu gegründeten Verein zu neuem Leben. Im Bistro im Erdgeschoss werden Reproduktionen von Werken der in Trogen aufgewachsenen Künstlerin Sophie Taeuber-Arp (1889–1943) gezeigt. Sie ist eine Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelin des Landschaftsmalers Johann Balthasar Bullinger, dem möglichenfalls die Ausgestaltung des Rokokozimmers zugeschrieben werden kann.
Traudl Eugster, Dr. phil., geboren 1939, Historikerin aus Wien. Unterricht an amerikanischen Colleges, seit 1966 mit Unterbrüchen in Basel, seit 1978 in Trogen in der Erwachsenenbildung tätig. 1989 bis 2003 Lehrerin an der Kantonsschule Trogen. Sie ist bis heute kulturell vielfältig engagiert, unter anderem mit kulturhistorischen Führungen in Trogen.